27.10.2021
von B. Bahlmann
Ob Bundesverdienstkreuzverleihung oder die Verleihung der Bürgermedaille – eines einte die Geehrten der Region in den vergangenen Wochen: Sie waren allesamt männlich. Ihr jahrelanges Engagement ist unbestritten, keine Frage. Dennoch kommt die Frage auf, weshalb Frauen deutlich weniger geehrt werden. Ist ihre Arbeit für die Gesellschaft weniger sichtbar? Mit dieser Frage befasst sich die Samstagsmarginalie.
Eine Erklärung ist schnell gefunden: Oftmals stammen die Geehrten aus einer Generation, in der es völlig selbstverständlich war, dass sich die Frau um den Haushalt und die Kindererziehung gekümmert hat und so dem Mann nicht nur den Rücken freigehalten hat für seine Arbeit, sondern auch für seine Vielzahl an Hobbys und anderen Tätigkeiten.
Dass sich die Männer sehr wohl dessen bewusst sind, zeigten die liebevollen Gesten am Rande der Verleihungen – ein Geehrter hatte für seine Frau ein überdimensionales Bundesverdienstkreuz gebastelt, ein anderer einen großen Blumenstrauß mitgebracht. Und immer kam der Dank, der vor den Augen zahlreicher Besucher der Liebsten gegenüber ausgesprochen wurde, aus vollem Herzen.
Ein Blick auf die vergangenen Jahre zeigt, dass hin und wieder in der Region auch Frauen geehrt wurden. Ganz viele auf einmal waren es im Jahre 2014. Damals bekam die Klostergemeinschaft der Franziskanerinnen die Bürgermedaille der Stadt Gmünd überreicht – für ihr Wirken in starker und stiller Art.
Ein Wirken, das bis heute anhält und das zurückgeht auf das Jahr 1902. Damals hatte die junge Arztwitwe Agnes Philippine Walter eine Gebetsgemeinschaft im Dritten Orden des heiligen Franziskus gegründet und ihr Vermögen zur Verfügung stellte – der Beginn der Kinder– und Jugendhilfe-Einrichtung St. Canisius in Gmünd.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt, der das Wirken bis in die heutige Zeit ermöglicht: Die Gründung der Agnes-Philippine-Walter-Stiftung im Jahr 2007.
So vieles wurde in all den Jahren auf den Weg gebracht, oftmals im Stillen. Hierzu zählte der Einsatz der Schwestern für die jesidischen IS-Opfer. 35 der 50 Jesiden, die 2015 in Gmünd aufgenommen wurden, fanden hier an der Bergstraße drei Jahre lang ein neues Zuhause, einen geschützten Raum, unbemerkt von der Öffentlichkeit.
Auch in vielen anderen Bereichen ist auf die Stiftung Verlass, unter anderem ist sie Träger des Kloster-Hospiz.
Nicht zu vergessen der Einsatz für Mädchen in Afrika und Lateinamerika. Ein Einsatz, der wichtiger ist denn je, wie der Besuch von Bischof Johannes Bahlmann in diesen Tagen zeigte. Er war ins Kloster der Franziskanerinnen gekommen, um über das neueste Projekt zu berichten, das nun über einen Zeitraum von zehn Jahren von der Agnes-Philippine-Walter-Stiftung unterstützt wird. „Kraft für die Frauen und Kinder der Amazonia“ lautet der Titel des Projekts in der Diözese Óbidos, von Bischof Johannes Bahlmann in die Wege geleitet. Unterstützt werden die in dieser Region benachteiligten Menschen, Frauen, Kinder, Jugendliche. Hilfe zur Selbsthilfe lautet ein Stichwort. Die Agnes-Philippine-Walter-Stiftung macht es möglich, dass auch dieses Projekt Unterstützung aus Gmünd erfährt. Zum Erfolg tragen nicht zuletzt die vielen Bürger – Frauen und Männer – bei, die sich des oft stillen Wirkens der Stiftung bewusst sind und diese seit Jahren mit regelmäßigen Spenden unterstützen. Menschen, die bei all den kleinen Problemen des Alltags die wirklich großen Probleme auf der Welt nicht vergessen. Das Wirken der Agnes-Philippine-Walter-Stiftung für solche Projekte, so formulierte es dieser Tage Bürgermeister Christian Baron, schärfe auch den Blick und die Sensibilität für andere Gebiete auf der Erde. (bebo)Nicole Beuther